Aus: Horst Schreiber, Sozialdemokratie in Tirol. Die Anfänge, 2003. Dort auch mit Fußnoten
Gustav Kuprian wurde am 15. Oktober 1897 als Sohn des Viktor und der Anna Kuprian, geb. Haselwanter, in Bruneck, Südtirol geboren. Nach dem Besuch der Unterstufe des Gymnasiums und der Lehrerbildungsanstalt in Innsbruck, wo er 1916 das Reifezeugnis erlangte, legte er die Lehrbefähigungsprüfungen für Volksschulen 1920 und Hauptschulen (Deutsch, Geschichte, Erdkunde) 1943 ab. Von 1919 bis 1928 unterrichtete er bis zur Aufnahme seiner Tätigkeit als Gemeinderat in den Innsbrucker Knabenvolksschulen Haspingerschule, Dreiheiligen und Gilmschule. Zudem lehrte er von 1924 bis 1933 auch kaufmännische Fächer (Kalkulation und Buchführung), für die er 1928 eine Prüfung abgelegt hatte, an gewerblichen Fortbildungsschulen. Von 1919 bis 1929 war er Mitglied des deutschnationalen „Tiroler Landeslehrervereins.“ Am 15. Jänner 1915 meldete sich Kuprian zum Militärdienst und rückte schließlich zu den Kaiserschützen in Bozen ein. Am 28. Februar 1919 rüstete Kuprian, der insgesamt 34 Monate an der Front gestanden hatte, im Rang eines Oberleutnants und mit vielfachen Kriegsauszeichnungen dekoriert, ab. Im politischen Leben Tirols in den 1920er und 1930er Jahren spielte er durch sein intensives Engagement bei der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) eine wichtige Rolle. Als Parteimitglied wirkte er vor allem in der Jugend- und Sportbewegung mit und war von 1929 bis1933 im Innsbrucker Gemeinderat tätig. Er galt als „guter, volkstümlicher Redner“, der über „großes Organisationstalent“ verfügte. Deshalb stand er in der politisch besonders heißen Phase an der Spitze des Republikanischen Schutzbundes (RESCH), der paramilitärischen Organisation der SDAP. Kuprian wurde von seinen ParteigenossInnen als „entgegenkommend und hilfsbereit“ beschrieben, im Schulbereich war er als „eine Erzieher- und Lehrerpersönlichkeit von Format“ ausgewiesen.
Der behördliche Erkennungsdienst beschrieb ihn als einen kräftigen, 183 cm großen Mann mit einem vollen Gesicht, braunem Haar, hoher Stirn, grauen Augen und einem blonden Bart. Ein anderes Mal wurde seine Größe mit 181 cm und seine Bartfarbe als braun angegeben. In seinem Nachruf hieß es: „Schon seine äußere Erscheinung, die große und starke Figur, wird allen in Erinnerung bleiben, besonders aber sein ansprechendes Antlitz mit den buschigen Augenbrauen, hinter denen stets freundliche, verstehende Augen mutig in die Welt schauten.“
Kuprian war seit 11. Oktober 1919 mit Maria (Midi) Telfner verheiratet. Tochter Brunhilde Bonner, geboren am 29. Juni 1920, übte wie ihr Ehemann ebenfalls den Lehrberuf aus. Maria Kuprian, die am 24. Juni 1894 geboren wurde, war ein außereheliches Kind, ihr Stiefvater Anton Scheiwinger engagierter Sozialdemokrat. Maria Kuprian war ausgebildete Lehrerin, übte ihren Beruf jedoch nicht aus, da verheiratete Frauen in Tirol nicht unterrichten durften. Bis 1932 führte sie die Gastwirtschaft im sozialdemokratischen Rapoldihaus in Kranebitten.
Gemeinderat in Innsbruck
Gustav Kuprian wurde im Innsbrucker Gemeinderat erstmals am 27. Mai1929 angelobt. Er war Mitglied des Finanz-, Sport-, Verkehrs-, Bau- und Wohlfahrtsausschusses sowie des Verwaltungsausschusses für die städtischen Unternehmungen. Zudem war er Mitglied des Stadtschulrates. Der Schwerpunkt seiner Tätigkeit lag im Sport- und Schulausschuss. Wiederholt bemängelte er den geringen Einfluss der WählerInnen auf den Stadtschulrat und die willkürliche Besetzung von LehrerInnenposten durch den Landesschulrat, der den Innsbrucker Stadtschulrat allzu oft übergehen würde. Aufgrund der Stärke der Sozialdemokratie in der Stadt Innsbruck konnte die Partei die Schulpolitik in der Landeshauptstadt wesentlich mehr mitbestimmen als im Land Tirol insgesamt. Im Dezember 1930 hob Kuprian hervor: „Wie kein anderer Schulbezirk Tirols fördert die Landeshauptstadt das Schul- und Unterrichtswesen weit über den Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen hinaus durch die Erhaltung von 31 gesetzlich nicht notwendigen Klassen, die Einstellung von Handarbeitslehrerinnen, die Einführung von Nachhilfestunden und Freiluftnachmittagen usw., woraus ihr Mehrkosten von insgesamt über 200.000 S erwachsen.“ Angesichts eines Schulbudgetvoranschlags von 1,15 Millionen Schilling für 1931 sprach er von einer „enormen Leistung“ Innsbrucks. Deshalb müsse die Stadt auch einen entsprechenden Einfluss auf die LehrerInnenbestellung ausüben können und die Hälfte der über die gesetzlichen Bestimmungen hinausgehenden Posten, die von der Stadt bezahlt wurden, in „ständige Lehrerstellen“ umgewandelt werden. Nachhaltig setzte er sich für die Einstellung zusätzlicher Schulärzte und die Einführung eines obligatorischen Schwimmunterrichts an Volks- und Hauptschulen ein sowie für die Bereitstellung bedeutender Summen zur Anschaffung unentgeltlicher Lernbehelfe und Schulbücher. Besonders stark machte er sich für die Realisierung des dringend notwendigen Baues der Pradler Doppelhauptschule, der sich schier unendlich in die Länge zog.
Weitere Redebeiträge betrafen die Verbilligung der Benützung von Sportplätzen und Badeanstalten angesichts der „immer mehr und mehr sich auswirkenden furchtbaren Notlage der ärmsten Schichten“ und der Berücksichtigung proletarischer Sportvereine, die bei der Subventionierung gegenüber bürgerlichen Vereinen deutlich benachteiligt wurden. Da die Stadt Innsbruck in den wirtschaftlichen Krisenjahren stets überdurchschnittlich hohe Arbeitslosenzahlen und viele „Ausgesteuerte“ hatte, wurden auf Initiative der SozialdemokratInnen alljährliche Winterhilfsaktionen organisiert, um den Notleidenden über die Härten der kalten Jahreszeit hinwegzuhelfen. Besonders großes Engagement legten hierbei Gustav Kuprian und die großdeutsche Gemeinderätin Marianne Schneider an den Tag.
Spezielles Augenmerk schenkte er dem Kampf gegen die Politisierung der Innsbrucker Polizei und der Bevorzugung der Heimatwehr. Durch den Beschluss der Bundesregierung, ein eigenes Bundespolizeikommissariat für Innsbruck, Hötting und Mühlau zu errichten, wurden der Stadt wesentlichen Polizeiagenden entzogen. Dazu Kuprian: „Die Innsbrucker Polizei wird von der Mehrheit der Bevölkerung und auch von der Mehrheit der Wähler, selbst jener Partei, die gegen die Polizei Stellung genommen hat, als strenge und unparteiische Hüterin von Ruhe und Ordnung geschätzt.“ Die Strukturreform der Regierung ziele nun dahin, dass ihr genehme Beamte bevorzugt untergebracht werden sollen, um die völlige Kontrolle der Exekutive in ihrem Sinne sicher zu stellen. Er warnte, dass durch eine solche Politik, „nur noch mehr Elend und Verzweiflung erzeugt wird und das Ergebnis solcher Atmosphäre kann dann nicht mehr verantwortet werden.“ Die Regierungsverordnung erzeuge daher Unruhe, Unordnung und Missstimmung.
Nach seiner Verhaftung im März 1933 und den Ergänzungswahlen zum Innsbrucker Gemeinderat am 21. April 1933 schied Gustav Kuprian aus dem Gemeinderat aus.
Führer des Republikanischen Schutzbundes
In den Unterlagen der Behörde, die den Republikanischen Schutzbund infiltrieren ließ und genauestens auskundschaftete, taucht Kuprian höchstwahrscheinlich erstmals in einer Meldung aus dem Jahr 1926 auf, in der er als Mitglied des Führungsauschusses genannt wird. Aufgrund des unerwarteten Todes von August Wagner am 6. April 1932 rückte Kuprian an die Spitze des RESCH in Tirol. Daraufhin stand er im Mittelpunkt zahlreicher Observationen seitens der Behörden und der Heimatwehr. Im Mai 1932 wurde Kuprians Wohnung in der Andreas-Hofer-Str. 9 überwacht, nachdem die Heimatwehr von einem Informanten, Dr. Roschmann, der in der Nähe wohnte, über den Zu- und Abtransport von Paketen benachrichtigt worden war. Es stellte sich jedoch schließlich heraus, dass es sich bei den vermuteten Waffen um Haselnussstöcke handelte, mit denen die 30 Mann starke RESCH-Gruppe in Telfs ausgestattet worden war, die unter der Leitung des Krankenkassakontrollors Josef Rimml und des Maurers Richard Neuner gegründet worden war.
Kuprians Tätigkeit als Landesführer des RESCH begann mit einer blutigen Kraftprobe mit den aufstrebenden Nationalsozialisten und einer daraus resultierenden verheerenden Schlappe. Da die NSDAP inmitten der ArbeiterInnenhochburg Hötting im Gasthof „Goldener Bär“, der traditionellen Versammlungsstätte der Höttinger Sozialdemokratie, am 27. Mai 1932 eine provokative Veranstaltung abhalten wollte, fasste die Führung des RESCH den Plan, den Nazis Paroli zu bieten und ihre Tagung zu sprengen. Deshalb hielt der RESCH im nahen Gasthaus „Reiter“ an diesem 27. Mai unter der Führung Kuprians und des Obmanns der sozialistischen Hochschulgruppe der Universität Innsbruck, Karl Kunst, eine Versammlung ab. Als die ersten Zusammenstöße zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten einerseits sowie den Nazis andererseits bekannt wurden, forderte Kuprian die Anwesenden auf, „strengste Disziplin“ zu bewahren und „sich ständig bereit zu halten, denn alle Anzeichen deuten darauf hin, daß die Zeit des Handelns gekommen ist.“ Nachdem es schließlich im Gasthof „Bären“ zwischen den verfeindeten Gruppen zu einer regelrechten Saalschlacht, deren auslösendes Moment nicht geklärt ist, gekommen war, blieben 16 Sozialdemokraten und Kommunisten sowie 19 Nazis erheblich verletzt zurück. Der SA-Mann Sylvester Fink wurde getötet. Die Sozialdemokratie war zwar vor der Provokation der Nazis nicht zurückgewichen, die NSDAP ging jedoch aus dieser Auseinandersetzung als eindeutiger Sieger hervor. Sie hatte einen Märtyrer und gründete sogleich nach der Saalschlacht eine Ortsgruppe in Hötting, die bereits nach wenigen Wochen über 300 Mitglieder verfügte. Bei den im September 1932 abgehaltenen Gemeinderatswahlen in Hötting konnte sie triumphieren. Der RESCH wurde von den Behörden für die Vorfälle als hauptverantwortlich angesehen, allen voran Gustav Kuprian, der bei Antritt seiner Funktion als Landesführer des RESCH als Nachfolger Wagners dessen prinzipiell konfrontationsbereite Linie weiter zu führen versucht hatte und sich bewähren hatte wollen. Nach diesen Ereignissen schwenkte Kuprian, der den 27. Mai als „Unglückstag für die sozialdemokratische Partei“ bezeichnete, völlig auf eine Politik des Ausgleichs um, der jedoch überhaupt kein Erfolg beschieden sein sollte. Kuprian wurde wegen des Verdachts des Vergehens gegen das Antiterrorgesetz vom 1. Juni bis 3. Juni 1932 in U-Haft genommen. Die Untersuchungen endeten im Jänner 1933 mit einem Freispruch Kuprians.
Doch schon bald überstürzten sich die Ereignisse. Nach der Ausschaltung des Parlaments durch die Regierung Dollfuß Anfang März 1933 und dem vehementen Drängen der Tiroler Heimatwehr bei der Landesregierung auf Verhaftung aller Führer „marxistischer Wehrformationen“ setzte Kuprian alle Gruppen des RESCH in Tirol für den 14. und 15. März in Alarmbereitschaft. Im Innsbrucker Gemeinderat hielt er am 13. März eine Rede, in der er die einseitige Bevorzugung der Heimatwehr durch die Landesregierung scharf angriff. Er verwehrte sich gegen den Erlass vom 9. März, der ein öffentliches Aufmarsch- und Versammlungsverbot enthielt, da dadurch auch WählerInnenversammlungen verboten werden konnten. Im Mittelpunkt seiner Kritik stand die Tatsache, dass die Heimatwehr weiterhin sehr wohl öffentlich auftrat und „Provokationsmärsche“ in Innsbruck durchführte: „Es ist nicht die Furcht, welche seine Partei gegen ein solches Vorgehen erbittert. Die Duldung desselben bedeutet aber eine Ungeheuerlichkeit. Während dieser Sitzung ziehen durch Innsbrucks Strassen 12 Doppelreihen schwer bewaffneter Heimatwehrleute. Sie marschieren provozierend vor dem Heim der freien Gewerkschaften vorbei.“ Dabei habe die Heimatwehr ein Maschinengewehr auf offener Straße aufgestellt, auch in der Reichenau hielten sich bewaffnete Einheiten auf und führten Nachtübungen durch. „Mehr und offener kann das Recht nicht gebeugt werden. Es ist bestimmt nicht die Furcht, die dagegen spricht, denn der Gemeinderat weiß genau, dass es den Schutzbündlern ein leichtes wäre, diese 50 Heimatwehrmandln einmal richtig durchzublattln. Aber es geht eben nicht an, daß man solche Provokationen duldet und dadurch unterstützt.“ Im Gegensatz dazu halte sich der RESCH an die Verordnung: „Vielmehr steht fest, dass die Landesleitung des Schutzbundes sich ihrer Verantwortung voll bewusst ist und den bestehenden Bestimmungen vollends nachgekommen ist. Er erkläre aber, dass es immer schwerer werde, diese Verantwortung der leitenden Funktionäre des Schutzbundes gegenüber den Formationen zu tragen, wenn die Verordnungen der Landesregierung so einseitig aufgefasst und durchgeführt werden.“
Bundes- und Landesregierung zeigten sich jedoch gemeinsam mit der Heimatwehr entschlossen, gegen die Sozialdemokratie generell und den RESCH speziell kompromisslos vorzugehen. Am 15. März 1933 wurden das Partei- und Gewerkschaftshaus durchsucht. In seinem Bericht stellte Landesregierungsrat Kurt Sauer, der schon längst geheimes Mitglied der NSDAP war, fest, dass das Verhalten der sozialdemokratischen Funktionäre korrekt gewesen wäre. Nur Stadtrat Eduard Ertl habe sich „verschiedene dumme Sprüche“ geleistet.“ Da dem Bundespolizeikommissariat eine Meldung zugekommen war, dass den Führern des RESCH Waffen zum Verstecken ausgehändigt worden wären, fanden am selben Tag auch Hausdurchsuchungen statt. In Kuprians Wohnung wurde ein Karabiner, eine Stahlrute, 20 Stück Gewehrmunition, eine Pistole Marke Walther und zwei Mappen Korrespondenz aufgefunden. Die Schriften enthielten Hinweise auf eine Sendeanlage des RESCH auf der Hungerburg. Am 16. März erfolgte das Verbot der Landesorganisation Tirol des RESCH. Mit dieser Vorgangsweise übernahm Tirol eine Vorreiterrolle, wurde doch die Auflösung des RESCH in ganz Österreich durch die Bundesregierung erst am 30. März fixiert. Die umfangreichen Hausdurchsuchungen bei den Tiroler Schutzbundführern hatten jedenfalls zu keinen nennenswerten Ergebnissen geführt. Der „große Waffenfund“ beschränkte sich auf insgesamt elf alte Mannlichergewehre.
Verhaftung im März 1933
Am 17. März 1933 wurde vom Landesgericht Innsbruck über Gustav Kuprian die Voruntersuchung eingeleitet und die U-Haft wegen des Vorwurfs des Verbrechens des Hochverrats verhängt. Nach siebenwöchiger Haft thematisierten die sozialdemokratischen Landtagsabgeordneten Franz Hüttenberger, Rudolf Pfeffer und GenossInnen den Fall Kuprian im Landtag, indem sie den Anklagepunkt des Hochverrats in Zweifel zogen. Da kaum Waffen gefunden worden waren, stützte sich das Vorgehen gegen Kuprian auf ein in seiner Wohnung entdecktes, von ihm aber nicht vervielfältigtes Flugblatt der Wiener Zentrale an die Beamten und Soldaten der Sicherheitsexekutive. Darin hieß es:
„Die Regierung hat den Zusammentritt des Nationalrates (…) gegen Recht und Gesetz verhindert. Damit hat sie den Boden der Verfassung verlassen. Der Kampf der Regierung richtet sich gegen das arbeitende Volk in Stadt und Land. Euch, Soldaten und Beamte der Exekutive, wird die eidbrüchige Regierung dazu zu mißbrauchen versuchen, die verfassungsgemäß gewährleisteten Rechte der Arbeiter und Angestellten, der Beamten, der Bauern zu beseitigen. Wir ermahnen Euch, die Ihr Söhne des Volkes seid, an Euren auf die Verfassung geleisteten Eid. (…). Das verfassungswidrige Handeln der Regierung entbindet Euch Eurer Gehorsamspflicht! Schießt nicht auf Eure Brüder und Schwestern!“
Neben der Haltlosigkeit des Hochverratsvorwurfs verwiesen Hüttenberger und GenossInnen weiters darauf, dass Exponenten der NSDAP „in letzter Zeit Hochverrat im vollsten Sinne des Strafgesetzes“ begangen hätten ohne auch nur im geringsten beanstandet zu werden. Sie bezogen sich auch auf Auftritte ausländischer Redner wie des bayrischen Kultusministers Hans Schemm, der am 22. April 1933 vor einer riesigen Menschenmenge in der Innsbrucker Ausstellungshalle mit der Annexion Österreichs durch den Einmarsch von SA-Truppen gedroht und wörtlich ausgeführt hatte: „Es wird nicht mehr lange dauern und in Wien sitzt ein Statthalter Hitlers!“ Zur gleichen Zeit hatte Bundeskanzler Dollfuß eine Rede im großen Stadtsaal von Innsbruck gehalten. Die Ungerechtigkeit von Kuprians Arretierung werde, so seine GenossInnen, durch diese Vorkommnisse besonders deutlich offenbar. Sie forderten den Landeshauptmann auf, dahingehend zu wirken, dass das Justizministerium die Staatsanwaltschaft Innsbruck zur Beschleunigung des Verfahrens dränge und dass das Bundespolizeikommissariat die ihm vom Gericht aufgetragenen Erhebungen schnellstmöglich durchführe. Weiters stellten sie in ihrer Anfrage im Landtag fest: „Der Lehrer Gustav Kuprian, der Landesführer des ehemaligen Republikanischen Schutzbundes, der jahrelang an der Südtiroler Front für die Verteidigung Tirols sein Leben eingesetzt hat, der für Tirol geblutet hat, der hohe Auszeichnungen der Tapferkeit erhielt, bleibt in Haft, während die wirklichen Hochverräter frei herumgehen und weiter alles unternehmen, um die Grundlagen des Staates zu untergraben.“
Die Antwort des Landeshauptmannes, der das Justizministerium von der Anfrage in Kenntnis setzte, fiel klar und deutlich aus. Eine ausführliche Untersuchung gegen Kuprian sei zwingend notwendig, da in dem bei ihm beschlagnahmten Schriftenmaterial Aufrufe an die Exekutive gefunden worden wären, die zur Gehorsamverweigerung gegenüber der Regierung ermuntern würden:
„Mag Kuprian auch im Kriege seine Pflicht erfüllt haben, als Führer des Republikanischen Schutzbundes, jener Vereinigung, die durch viele Jahre der Nachkriegszeit der Organisierung des Klassenkampfes und des Widerstandes gegen die Regierung gedient hat und deshalb der Auflösung verfallen musste, hat er sich in schwerster Weise gegen den Staat vergangen. Die Aufforderung an den Diener des Staates, diesem den Gehorsam und die Treue zu verweigern, ist eine der schwersten Tathandlungen, gegen die sich jedes Staatswesen zur Wehr setzen muß.“
Während des laufenden Verfahrens versicherte Kuprian, seine Anordnungen als Landesführer des RESCH wären „stets von der Mahnung getragen [gewesen], die Exekutive in allem und jedem zu unterstützen“. Innsbrucks Bürgermeister Franz Fischer bestätigte seine Darstellung, indem er bekräftigte, dass bei den Aufmärschen des RESCH und ähnlichen Veranstaltungen „von Herrn Lehrer Kuprian immer der Standpunkt der Ordnung und Ruhe und der Vermeidung von politischen Zusammenstößen vertreten wurde und eine revolutionäre oder umstürzlerische Tendenz von ihm in meiner Gegenwart nie kundgetan wurde“.
Am 26. Mai 1933, mehr als zwei Monate nach seiner Arretierung, wurde Gustav Kuprian schließlich aus der Haft entlassen. Die „Volkszeitung“ titelte: Hoch Kuprian! Genosse Gustav Kuprian aus der Untersuchungshaft entlassen – Viele Hunderte von Parteigenossen tragen die Nachricht durch die Stadt – Stürmische Begrüßung Kuprians im Parteiheim“. Der große Saal des Parteihauses war zu Ehren seiner Begrüßung überfüllt. „Alle wollten ihm die Hand drücken und als das nicht ging, hoben ihn ein paar Kraftsportler auf die Schultern und trugen ihn durch die versammelte Menge.“ In der Stunde der Verfolgung sei es eine große Genugtuung, „an der Spitze der Bewegung Männer vom Schrot und Korn eines Kuprian zu wissen, dessen Charakterstärke und Mannesmut allen Arbeitern die Gewähr gibt, im Augenblick der Gefahr nicht verlassen zu werden.“ Kuprian entgegnete diesem warmen Empfang mit den Worten: „Ich war auserwählt, für die proletarische Sache einzustehen. (…) Und heute weiß ich auch, daß diese Treue, die uns verbindet, nicht untergehen wird, mag da kommen, was immer auch. So sage ich euch: Bleibt so, wie ihr gewesen seid all die Jahre her. Bleibt treu der Idee und der Partei und habt immer nur eines im Sinne: Freiheit!“
Am Rande des Abgrunds 1933/34
Während Kuprians Haft leitete der Landtagsabgeordnete Rudolf Pfeffer provisorisch den illegalen RESCH. Gleich nachdem Kuprian aus dem Gefängnis entlassen worden war, begann dieser federführend mit der Reorganisation des RESCH. Bereits im Juli 1933 konnten die Behörden in Erfahrung bringen, dass die sozialdemokratische Parteileitung in Wien österreichweit mit dem Wiederaufbau einer Wehrorganisation befasst war. Die Vorarbeiten waren so weit fortgeschritten, dass an die Aufstellung von Formationen in den einzelnen Bundesländern gegangen werden konnte. Zur Verschleierung erhielten diese neuen Wehrorganisationen Decknamen. In Tirol nannten sie sich „Sozialdemokratische Jungpioniere Tirols“ und „Sozialdemokratische Pioniere Tirols“. Die Leitung übernahm wieder Gustav Kuprian, „der nach geheimen Nachrichten seit seiner Haftentlassung in verschiedenen Abschnitten mit verlässlichen Parteimitgliedern Fühlung nahm und auch Besprechungen über den Zweck der Organisation abgehalten hat.“ Zur besseren Geheimhaltung wurden nur diejenigen aufgenommen, die sehr verlässliche und bewährte Mitglieder im verbotenen RESCH gewesen waren. Ein behördliches Einschreiten war nicht möglich, weil die Tätigkeit der neuen Geheimorganisation noch nicht wahrnehmbar war. In Innsbruck konnten bereits wieder zwei Kompanien aufgestellt werden, nämlich in Pradl und Wilten. Eine weitere Kompanie für Hötting und Höttinger Au war im Aufbau begriffen.
Im August 1933 hielten 78 Jungpioniere einen Generalappell ab, bei dem Kuprian eine Ansprache hielt, die politische Lage jedoch falsch einschätzte. Er bemerkte, „dass dieser Appell wahrscheinlich der letzte geheime sein werde, da aus Wien günstige Nachrichten dahingehend eingetroffen seien, dass die Pionierabteilungen bezw. der Schutzbund bald wieder mit behördlicher Bewilligung bestehen werde.“
Die sozialdemokratische Parteileitung und Kuprian als RESCH-Führer verfolgten bis zum Februar 1934 einen nachgiebigen Kurs gegenüber der Landesregierung und der Tiroler Heimatwehr. Sie gingen davon aus, dass ein gemeinsames Vorgehen gegen den aufstrebenden Nationalsozialismus im gemeinsamen Interesse läge und die sich daraus ergebenden Kooperationsmöglichkeiten gegen den braunen Faschismus der Partei und dem RESCH mehr Spielraum geben würden. Diese Annahme ging von falschen Voraussetzungen aus, zudem erkannten Kuprian und die Parteiführung nicht, dass Bundes- und Landesregierung sowie die Heimatwehr den Hauptgegner nicht im Nationalsozialismus sondern in der Sozialdemokratie sahen. Wenn aber Kuprians Politik dahingehend interpretiert wird, dass er „von den Tiroler Schutzbündlern strikten, ja gedankenlosen Gehorsam gegenüber ihren Führern und gegenüber der bürokratischen Legalität verlangte“, so ist die Frage zu stellen, welche Alternativen es zum falschen Kurs Kuprians und der Tiroler SDAP gegeben hätte. Die Behörden und die Heimatwehr warteten jedenfalls nur auf eine Handhabe zugreifen zu können. Der Schlüssel für eine erfolgreiche Gegenwehr lag in einer Änderung der Politik in der Wiener Parteizentrale und nicht in Tirol, wo sowohl die Partei als auch ihr militärischer Arm, der RESCH, zu jeder Zeit viel zu schwach waren, Regierung, Exekutive, Heer und den paramilitärischen Organisationen der äußersten Rechte Paroli bieten zu können. Unabhängig von der Frage der Handlungsmöglichkeiten ist nicht zu übersehen, dass sowohl die oberste Parteileitung in Wien als auch die Tiroler Parteiführung und Kuprian die Sozialdemokratie in die totale Niederlage führten.
Einer der Exponenten der Linie für eine Zusammenarbeit mit Landesregierung und Heimatwehr gegen die NS-Bewegung war der bayrische Sozialdemokrat Wilhelm Hoegner, der im Juli 1933 nach Tirol geflohen war und angesichts seiner Erfahrungen der brutalen Verfolgung der Sozialdemokratie durch das Hitlerregime alles daran setzte, in Tirol ein schlagkräftiges Bündnis gegen den in Österreich im Aufstieg begriffenen Nationalsozialismus auf die Füße zu stellen. Hoegner, der in der Tiroler Partei in führender Position angestellt wurde, war maßgeblich daran beteiligt, einen Kompromiss bzw. eine Zusammenarbeit der Sozialdemokratie mit den Behörden und der Heimatwehr zu suchen. Zu diesem Zweck war er noch im Juli in Wien mit Bundeskanzler Kurt Schuschnigg zusammen getroffen, um ihn für diese Politik zu gewinnen. Im August suchte er mit Kuprian, der auch Mitglied des Landesparteivorstandes war, und dem leitenden Redakteur der sozialdemokratischen „Volkszeitung“ Othmar Popp Richard Steidle auf, seines Zeichens Landesführer der Tiroler Heimatwehr und Sicherheitsdirektor von Tirol. Die sozialdemokratische Delegation warnte vor der Gefahr eines NS-Einmarsches von Bayern aus. Sie bot für den Fall eines Grenzkonflikts an, die sozialdemokratisch organisierte Arbeiterschaft, soweit sie wehrhaft erfasst war, zur Verfügung zu stellen. Einerseits war es naiv anzunehmen, dass einer der größten Hasser der Sozialdemokratie und vehementer Verfechter der Abschaffung von Demokratie und Republik auf solche Vorschläge eingehen würde, andererseits war es der Versuch aus einer Position absoluter Schwäche eine Kooperation anzustreben, die den RESCH wieder indirekt legalisiert hätte. Wie jedoch nicht anders zu erwarten war, lehnte Steidle jegliche Zusammenarbeit und jegliches Zugeständnis ab, eine freiere Versammlungsmöglichkeit für die SDAP kam für ihn überhaupt nicht in Frage. Gegenüber der Delegation begrüßte er es zwar, wenn sich sozialdemokratische Arbeiter für Heimat und Vaterland im Falle der Not einsetzten, aber, so Steidle in seinem Bericht an die Landesregierung:
„Ich erklärte den Herren weiters, daß ich dies hoffentlich als ein erfreuendes Zeichen dafür werten könne, daß in der österreichischen Sozialdemokratie, wenigstens soweit die Alpenländer in Betracht kommen, eine gewisse geistige Umstellung sich bemerkbar mache und zwar in dem Sinne, daß die sozialistisch gesinnten Teile der Arbeiterschaft von der international klassenkämpferisch und bolschewikisch gesinnten Wienerführung immer mehr abrücken. (…) Die erschienen Herren gaben diese Entwicklung begreiflicherweise nicht ausdrücklich zu, Kuprian meinte jedoch, daß seine Partei, ohne sich anzubiedern oder aufzudrängen, geneigt und bereit sei bei dem Kampfe um die Selbstständigkeit und Unabhängigkeit Österreichs tatkräftig mitzuwirken.“
Die Bitte um die Ausweitung der „Versammlungstätigkeit ohne Tagespolitikberührung“ zur entsprechenden Aufklärung der ArbeiterInnen beantwortete Steidle ausweichend mit einer Hinhaltetaktik: „Ich erklärte ausdrücklich derzeit weder eine Zu- noch eine Absage machen zu können, weil dieses Problem von so weittragenden Folgen sei und nicht Tirol allein berühre, daß von mir allein keine Entscheidung getroffen werden könne.“ Er versprach „lediglich“ die Weisung des Kanzlers und Innenministers einzuholen. Für Steidle war dieser Versuch der Parteileitung lediglich ein Zeichen ihrer Schwäche und des desolaten Zustandes der Partei, die er für sturmreif hielt.
Die Vorgangsweise der Parteileitung, speziell Kuprians, wurde in den Reihen des RESCH scharf kritisiert. Anlässlich eines geheimen Appells seiner Spitzen am 1. Oktober 1933 musste sich Kuprian gegen den Vorwurf der „Packelei“ mit der Landesregierung zur Wehr setzen, der in den Kreisen des RESCH im Umlauf war. Dabei startete er einen Gegenangriff und fragte, wer Interesselosigkeit an den Tag lege und Engagement vermissen ließe, er als Landesführer oder die Abschnittsleiter. Kuprian spielte auf die Tatsache an, dass von rund 100 Führern nur 45 erschienen waren. Allerdings ist hierbei hervorzuheben, dass der Umstand, dass bereits mehr als die Hälfte der RESCH-Führer nicht mehr zu mobilisieren waren, die breite Resignation innerhalb der Sozialdemokratie und die erfolgreiche Zermürbungstaktik von Regierung und Heimatwehr sichtbar machten. Wesentliche Verantwortung für diese Mutlosigkeit und Unzufriedenheit trugen die Parteiführung in Wien und Innsbruck sowie nicht zuletzt Kuprian selbst als Mitglied des Parteivorstandes und Landesleiter des RESCH. Dazu kam, dass besonders junge Arbeiter und enttäuschte Mitglieder des RESCH zur NSDAP bzw. zur SA überzuwechseln begannen, da die Nazis bereit waren, einen kompromisslosen und radikalen Kampf gegen die Regierung zu führen.
Kuprian ermunterte jedenfalls die anwesenden Führer in dieser schwierigen Situation, die geheime Reorganisation voranzutreiben und wieder von klein auf mit Übungsabenden zu beginnen. Auch wenn zu solchen Übungen nur zwei Interessenten kämen, solle die Flinte nicht gleich ins Korn geworfen werden, die Bereitschaft würde mit der Zeit wieder deutlich zunehmen. Das Wichtigste wäre, dass die Führer selbst der Sache treu blieben und den Mut nicht verlören. Er kündigte an wieder Sprechabende einzuführen, bei denen sich die Unterführer mit Anfragen an ihn wenden könnten, „um die Sache wieder auf die alte Höhe zu bringen.“ Er mahnte jedoch zur Vorsicht. Als Anrede dürfe nie das Wort Führer sondern nur der Begriff Funktionär verwendet werden, Appelle seien als Funktionärsbesprechungen zu bezeichnen. Das Unterfangen einer Geheimhaltung war allerdings völlig aussichtslos. Der Behörde war es gelungen, die Partei und ihre Organisationen bis hinauf in ihre höchsten Gremien mit Spitzeln zu infiltrieren, sodass die Landesregierung und die Heimatwehr meist bis ins Detail über die internen Vorgänge Bescheid wussten.
Abermalige Verhaftung im Februar 1934
Am Tag des Ausbruchs der Februarkämpfe 1934, die schließlich zur Beseitigung von Demokratie und Republik sowie zum Verbot der SDAP führten, wurde Gustav Kuprian verhaftet. Seine Arretierung am 12. Februar um 17 Uhr 30 im Gewerkschaftshaus durch zwei Stadtpolizisten im Auftrag des Innsbrucker Bundespolizeikommissariates wurde damit begründet, dass er ein prominentes Mitglied der Partei und Landesführer des aufgelösten RESCH war. In seiner Wohnung wurden jedoch lediglich ein Mannlicherstutzen und eine Mauserpistole mit zwei Magazinen und zwei Patronen sicher gestellt. Der alte Stutzen stammte noch aus Kuprians Militärzeit und war bereits zwei Mal beschlagnahmt und ihm wieder zurückgegeben worden. Die Pistole hatte er sich für den eigenen Schutz angeschafft, da er wiederholt bedroht worden war. Kurze Zeit später, am 20. Februar, erfolgte eine neuerliche Hausdurchsuchung, bei der 25 Stück Browningpatronen und eine eiserne Sprengbüchse gefunden wurden, die mit 20 Gramm eines „sehr brisanten Sprengstoffes gefüllt war.“ Nach Angaben Kuprians hatte er diese als eine Art Handgranate einsetzbare Schmierbüchse, die in einem Umkreis von 15 Metern eine tödliche Wirkung entfalten konnte, Ende 1931 oder zu Beginn des Jahres 1932 vom sozialdemokratischen Wiener Bezirksführer Franz Musil mit dem Auftrag erhalten, diese zu testen und allenfalls für Tirol nachzubestellen. Da Kuprian Landesleiter war und laut Innsbrucker Staatsanwaltschaft „in der letzten Zeit von diesem Bunde in verschiedenen Teilen Österreichs gewaltsame Unruhen angezettelt wurden, ist auch der Verdacht des Hochverrates (…) gerechtfertigt.“
Kuprian wurde am 21. Februar 1934 ins Gefängnis des Innsbrucker Landesgerichts überstellt, nachdem über ihn die Untersuchungshaft wegen des Vorwurfs des Verbrechens des Vergehens nach dem Sprengstoffgesetz und wegen Hochverrats verhängt worden war. Der Anklagepunkt des Hochverrats musste jedoch bald wieder fallen gelassen werden.
Kuprian versuchte natürlich seine gemäßigte Position hervorzustreichen, um sich zu verteidigen und einer langen Haftstrafe zu entgehen. Auch wenn seine Aussagen während der Haft angesichts dieser Umstände zu relativieren sind, bleibt der Grundgehalt seiner Argumentation, dass er vor dem Februar 1934 bestrebt gewesen war, einen Ausgleich mit Regierung und Heimatwehr zu finden, zweifellos richtig. Kuprian betonte, dass er die Gegenwehr des Schutzbundes, die nun als Revolution und Aufstand gegen die Regierung galt, verurteile und keine Schmierbüchsen in Wien nachbestellt hätte. Gegenteiliges konnte seitens der Behörde auch nicht in Erfahrung gebracht werden. Weiters unterstrich er, dass er mit den Ereignissen rund um die Februarkämpfe nichts zu tun hatte: „Ich kann nur sagen, daß in allen Schutzbundversammlungen und Führerbesprechungen nie der Plan gefasst war, gegen die Exekutive vorzugehen, sondern ihr zu helfen (…). Ich habe mir alle Mühe gegeben – seit meiner Entlassung aus der Untersuchungshaft im Mai 1933 – die soz.dem. Partei in jene Richtung zu lenken, die geeignet gewesen wäre, eine Arbeitsgemeinschaft mit der Regierung zu begründen.“ Die Partei wäre in Tirol über eine Gegenwehr nicht unterrichtet gewesen, „und zwar wohl deshalb, weil von uns eine Absage an die Zentralleitung der Partei eingelangt wäre, wenn wir zum offenen Kampf gegen die Regierung und ihre Exekutive aufgefordert wären.“ Kuprian meinte zudem, es habe
„meiner politischen Überzeugung widersprochen, mich an einem Aufstand gegen die staatliche Gewalt zu beteiligen und hiebei Waffen in Anwendung zu bringen. Schon während des ganzen Sommers 1932 habe ich nichts unversucht gelassen, um meine Parteigenossen dazu zu bringen, sich zur Auffassung durchzuringen, daß die Selbständigkeit Österreichs erhalten bleiben müsse und daß daher alle Mittel anzuwenden und alle Kräfte einzusetzen seien, um der vom Nationalsozialismus drohenden Gefahr begegnen zu können. In Verfolgung dieser meiner Einstellung habe ich mit den zuständigen Stellen darüber Verhandlungen gepflogen, wie die Kräfte der damals sozialdemokratisch organisierten Arbeiterschaft für diese Abwehraktion an Seite der staatlichen Exekutive bereit gestellt werden können. Ich habe auch die ganze nördliche Grenze Tirols bereist, um festzustellen, wo Gefahr am Verzuge sei. Das damals gesammelte Material habe ich den Behörden und der Leitung der Heimatwehr zur Verfügung gestellt.“
Dass die Tiroler Parteileitung und Kuprian als RESCH-Führer vom Widerstand in Linz und vom daraufhin ausbrechenden Bürgerkrieg tatsächlich überrascht worden waren, wird an ihrer Passivität und Orientierungslosigkeit am 12. Februar deutlich. Es gab keine wirkliche militärische Planung für den Ernstfall und Kuprian wartete ebenso wie die führenden Mitglieder des Parteivorstandes seine Verhaftung ab. Zudem erhielt er Unterstützung von Landeshauptmann Stumpf. Dieser unterstrich zwar, dass Kuprian Organisator und seit dem Ableben August Wagners im April 1932 technischer und militärischer Leiter des klassenkämpferischen, geheime militärische Übungen durchführenden RESCH gewesen war und einer Partei mit ausgesprochen internationaler Einstellung gedient habe, allerdings wäre der RESCH nicht im Sinne einer ausländischen Macht organisiert gewesen. Schließlich stellte der Landeshauptmann fest:
„Bei dem allen kann aber dem Kuprian doch zugebilligt werden, daß die Einstellung des Schutzbundes in Tirol vielleicht doch weniger radikal war, als in anderen Ländern. Nach dem Umsichgreifen der nationalsozialistischen Bewegung hat sich aber Kuprian tatsächlich bemüht, die Arbeiterschaft zu einer ruhigen, staatsbürgerlichen Einstellung zu bewegen und damit sicher eine nicht ganz leichte und dankbare Aufgabe übernommen. Er hat sich tatsächlich verschiedenen amtlichen Organen gegenüber erbötig gemacht, die Arbeiterschaft in den Dienst der Abwehr gegen die ausgesprochen staatsfeindlichen Bestrebungen der Nationalsozialisten zu organisieren. Redakteur Helmut Hütter hat auch hieramts bestätigt, daß Kuprian ehrlich bestrebt war, in dieser Richtung sich in den Dienst des Staates zu stellen. Tatsächlich haben sich seit dem Jahr 1933 keinerlei unliebsame Erscheinungen mehr gezeigt und man kann sagen, daß die Tiroler Arbeiterschaft sich in dem letzten ereignisreichen Jahre besonnen und verantwortungsbewußt gezeigt hat. Es kann dies als ein Symptom dafür gedeutet werden, daß die Führung eben doch in viel ruhigeren Händen lag, als es anderwärts der Fall gewesen zu sein scheint.“
Kuprian war auch bereit gewesen, noch am Tag des Ausbruchs der Februarkämpfe in der Innsbrucker Bundespolizeidirektion einen Aufruf an die Wörgler ArbeiterInnenschaft zu verfassen, die Waffen niederzulegen und ein Bekenntnis zu Volk und Staat abzugeben, da man in Tirol den Ereignissen in Linz und Wien fern stehe.
Wegen Sprengstoffbesitzes wurde Kuprian vom Innsbrucker Bundespolizeikommissariat noch während der laufenden Erhebungen wegen eines eventuellen Gerichtsprozesses zu einer Verwaltungsstrafe im Ausmaß von viereinhalb Monaten Arrest verurteilt. Er stellte daraufhin beim Landesgericht einen Enthaftungsantrag, indem er bemerkte: „Wenn nun meinem Ersuchen um Haftaufhebung stattgegeben werden sollte, so würde ich dadurch zwar nicht in Freiheit gesetzt werden, es würde mir aber durch die Auflösung der gerichtlichen Haft die Möglichkeit gegeben, die über mich verhängte politische Strafe zu verbüßen.“ Trotz Ablehnung der Innsbrucker Ratskammer, die eine Fluchtgefahr wegen einer zu erwartenden hohen Strafe bei der bevorstehenden Anklageerhebung gegen ihn annahm, gab das Oberlandesgericht Kuprians Antrag statt, sodass er am 20. Mai 1934 zur Verbüßung der polizeilichen Verwaltungsstrafe und einer dreiwöchigen Arreststrafe der BH Innsbruck an das Bundespolizeikommissariat überstellt wurde. Nachdem er den Großteil dieser Strafe abgesessen hatte, wurde Kuprian vorläufig mit der Auflage, Innsbruck nicht zu verlassen, am 31. Juli auf freien Fuß gesetzt. Der Rest der Haft für die Verwaltungsübertretung wurde ihm auf Dauer des Wohlverhaltens nachgesehen. Da die Staatsanwaltschaft schließlich gegen ihn Anklage wegen der Übertretung des Sprengstoffgesetzes erhob und einen Antrag auf abermalige Verhängung der U-Haft stellte, wurde Kuprian am 15. September 1934 wieder arretiert. In ihrer Anklageschrift führte die Staatsanwaltschaft ihre Beweggründe auf:
„Es mag sein, daß in Tirol und anderen Bundesländern die Führer der soz.dem. Bewegung nicht so radikal waren, wie in Wien und den Zeitpunkt für einen bewaffneten Widerstand im Feber nicht für günstig erachteten und daher trachteten, sich vorläufig ruhig zu verhalten. Der Grund dafür dürfte aber nicht – wie es der Beschuldigte glauben machen will – darin liegen, daß sie ihre umstürzlerische Absicht aufgegeben hätten, als vielmehr in der richtig erkannten Schwäche und Aussichtslosigkeit, außerhalb Wiens durch offenen Widerstand Erfolge zu erzielen.“
Dass die Staatsanwaltschaft gegen Kuprian auch ohne strafbare Tat vorzugehen plante, geht auch aus ihrer weiteren Argumentation hervor. Sie wollte ihn für Handlungen bestraft wissen, die er zwar nicht begangen hatte, die er aber nach ihrer Ansicht begangen hätte, wenn er dazu in der Lage gewesen wäre. So sei es nur deshalb nicht zu größere Kampfhandlungen in Innsbruck gekommen, weil der Nachrichtendienst der sozialdemokratischen Anführer nicht funktioniert hätte und alle Bestrebungen durch ihre Verhaftung im Keim erstickt worden waren. Kuprian, so die Mutmaßung der Anklagebehörde, hätte zum Kampf aufgerufen, wenn er mehr Zeit gehabt und sich stark genug gefühlt hätte. Das Fazit der Staatsanwaltschaft, dass die Tiroler Sozialdemokratie bestens bewaffnet gewesen wäre, ignorierte die tatsächliche Realität völlig und stand durchaus in einem gewissen Widerspruch zur vorhergehenden Argumentation. Die Ankläger beharrten jedoch auf ihren Standpunkt: „Jedenfalls steht aber fest, daß auch in Tirol die Kampftruppen der soz.dem. Partei mit den modernsten Waffen versehen waren, insbesondere auch mit Maschinengewehren und mit den bekannten Handgranaten.“
Die erneute Verhaftung Kuprians am 15. September 1934 führte zu öffentlichen Turbulenzen in Tirol. Die gleichgeschaltete „Volkszeitung“, in der aber noch einige Sozialdemokraten arbeiteten, allen voran Chefredakteur Othmar Popp, ehemaliges Mitglied des Parteivorstandes, protestierte gegen Kuprians Verhaftung, sodass sie beschlagnahmt und der Bericht auf Seite eins durch den Artikel „Korsikas letzter Bandit“ ersetzt wurde. Popp, der Kuprians Politik, der Regierung und Heimatwehr eine Zusammenarbeit gegen die NS-Bewegung anzubieten, unterstützt hatte, bezog in seinem unterdrückten Bericht „leidenschaftlich“ Stellung und erklärte, „daß unter solchen Umständen jede Bemühung um die Versöhnung zwischen Regierung und Arbeiterschaft und die Gewinnung der Arbeiter für den Aufbau und die Einrichtungen des Staates vergeblich“ wären. Popp trat folglich als Redakteur der „Volkszeitung“ zurück, indem er nochmals bekräftigte, „daß das Vorgehen gegen Kuprian die auch von der ‚Volkszeitung‘ unterstützte Versöhnungspolitik zwischen Regierung und Arbeiterschaft erschwere und ihm eine weitere Arbeit unmöglich mache.“ Da die Regierung eine Befriedung der ArbeiterInnenschaft anstrebte, drohte sich der Fall Kuprian äußerst negativ auf deren Stimmung auszuwirken. Die Vorstandsmitglieder der ebenfalls gleichgeschalteten Arbeiterkammer, Präsident, Vizepräsident und der erste Sekretär, der Sozialdemokrat Ernst Müller, der auch nach dem Februar 1934 im Amt bleiben durfte, wandten sich zugunsten Kuprians an die Landesregierung und das Bundeskanzleramt. Die „Volkszeitung“ sah sich daher zu einer erläuternden Berichterstattung gezwungen. In der Tat wurde die Argumentation Popps weitergeführt und festgehalten, dass die Verhaftung Kuprians und ein Prozess gegen ihn einen schweren Schlag gegen die Versöhnungspolitik darstellen würden. Kuprian hatte bereits über einen Monat vor seiner abermaligen Verhaftung Bundeskanzler Schuschnigg in Kenntnis gesetzt, dass er bereit sei, die ArbeiterInnen Tirols aufzurufen, am „Neuaufbau“ Österreichs mitzuhelfen und sich zur Regierung zu bekennen. In seinem persönlichen Gnadengesuch an den Kanzler unterstrich er nochmals seine gemäßigte Rolle:
„In dutzenden Besprechungen und Vorsprachen bei Behörden und Ämtern, bei Bürgermeistern und Gendarmerieposten habe ich im Vorjahr immer und wieder betont, alles tun zu wollen, um in der Arbeiterschaft das Verständnis für die Nöte des Staates, die Maßnahmen der Regierung und das Gebot der Stunde, sich bedingungslos zur Heimat zu bekennen, zu wecken. In fast allen Orten des Landes hielt ich mit Wissen und Billigung der Behörde Versammlungen und Besprechungen ab, ich bereiste alle Grenzpunkte, traf Vereinbarungen mancherorts mit Behörden und hatte auch Besprechungen mit Heimatwehrfunktionären“.
In einer abermaligen Bittschrift an den Kanzler am 18. September 1934 in persönlich „größter Not und bitterstem Leid“ versprach Kuprian sein vorhandenes Ansehen bei der Tiroler ArbeiterInnenschaft nun, da
„die illegale Partei der revolutionären Sozialisten von Neuem mit den Praktiken und Taktiken, die eigentlich die Katastrophe für den 12. Februar zu verantworten haben, Mißtrauen und Haß zu säen beginnt, in den Dienst der Versöhnung des Aufbaues zu stellen. Aus innerer Überzeugung mit Freude und Begeisterung bekenne ich mich zur österreichischen Volksgemeinschaft und zu den Männern, denen Österreich über alles steht. (…) Furchtbar schwer hat mich das Schicksal schon geschlagen, allzu viel der Not und des Elends hat es über meine Frau, mein vierzehnjähriges Töchterl und mein armes, altes Mutterl gebracht.“
Der Titelseite konnten die LeserInnen der „Volkszeitung“ entnehmen, dass der Kanzler höchstpersönlich eine Entscheidung treffen werde. Der Fall Kuprian war zu einem Symbol der Politik des austrofaschistischen „Ständestaates“ gegenüber den ArbeiterInnen geworden:
„Es hat nun also der Kanzler das Wort!
Die Arbeiter unseres Landes und darüber hinaus die Arbeiter ganz Österreichs warten mit Spannung auf dieses Wort. Und sie sind sich dessen gewiß, daß Bundeskanzler Schuschnigg nach seinen Erklärungen in Innsbruck nur so entscheiden wird, daß die Wege, die zur faktischen und seelischen Liquidierung des Februar-Unglücks führen sollen, nicht verrammelt werden. Sie rechnen mit einer solchen Entscheidung des Kanzlers, weil sie zu ihm und seinen Worten Vertrauen haben.“
Nach der Intervention Schuschniggs beim Bundespräsidenten wurde das Strafverfahren gegen Kuprian mit Entschließung vom 28. September 1934 niedergeschlagen und dieser am 3. Oktober enthaftet. Zwar war damit die strafrechtliche Verfolgung Kuprians beendet, in beruflicher Hinsicht wurde ihm aber der Boden unter den Füßen weggezogen.
Die Disziplinarkommission für Volks- und Hauptschullehrkräfte beim Landesschulrat verurteilte ihn am 20. September 1933 zur Versetzung in den Ruhestand, nachdem er bereits am 12. April dienstenthoben worden war. Begründet wurde dieser Entschluss damit, dass er Leiter des RESCH gewesen war und bei ihm das besagte Flugblatt mit dem Aufruf an die Soldaten zur Befehlsverweigerung gefunden worden war. Zudem wurde ihm eine maßgebliche Beteiligung an der Höttinger Saalschlacht 1932 vorgeworfen. Eine weitere Strafverschärfung, die der Landesschulrat anstrengte, wies das Unterrichtsministerium ab, da es keine von ihm persönlich ausgeführte strafbare Tat gegeben hatte, vor allem aber weil er „während des Weltkrieges um sein Vaterland in hervorragender Weise Verdienste erworben hat, wofür ihm auch zahlreiche hohe militärische Auszeichnungen verliehen worden sind. Schließlich auch, daß, wie der Verlauf der Februarereignisse in Innsbruck zeigte, die Tätigkeit Kuprians glücklicherweise nicht von Erfolg begleitet war, woraus auf eine rechtzeitige Umkehr und Besinnung geschlossen werden kann.“
Das Verfahren gegen ihn wegen der Aufbewahrung eines gebrauchsfertigen Sprengkörpers (Schmierbüchse) führte jedoch dazu, dass die Disziplinarkommission ihn am 2. Juli 1935 zur Minderung seines Ruhegenusses um 5% auf die Dauer von drei Jahren verurteilte. Seiner Existenzgrundlage beraubt setzte Kuprian alles daran, wieder in Dienst gestellt zu werden. In seinem diesbezüglichen Antrag von April 1935 distanzierte er sich daher klar von seiner früheren politischen Heimat: „Meine seinerzeitige politische Einstellung entsprang niemals dem Streben nach irgendeinem Mandat oder nach einem materiellen Vorteil, sondern der Überzeugung, der Arbeiterschaft zu dienen (…). Aus dieser meiner Einstellung heraus bekämpfte ich auch innerhalb der Partei selbst jene blindwütige Hetzpolitik, die anstatt zu gemeinsamem Dienste an der Heimat, zu Bruderkrieg führen musste.“
Als Führer des RESCH sei nach seiner Haftentlassung im Mai 1933 sein Trachten einzig dahin gerichtet gewesen, Österreichs Selbstständigkeit zu erhalten. Daher habe er bis zum Ausbruch des Bürgerkriegs
„restlos alles getan, meine ganze Popularität und mein Ansehen bei der Tiroler Arbeiterschaft ausgenützt, um diese zu bewegen, in dem schweren Kampfe zwischen Regierung und Nationalsozialismus die Regierung und ihre Bestrebungen zu verstehen und sie darin zu unterstützen. Gegen den Willen des radikalen Flügels der Partei (…) und fand die restlose Billigung für meine Arbeit durch den damaligen Landeshauptmann Dr. Stumpf und Dr. Steidle.“
Aus diesem Grunde habe sich auch Landeshauptmann Stumpf so massiv für ihn und seine schwer geprüfte Familie eingesetzt. Als er bei ihm im Sommer 1934 vorgesprochen habe, hätte ihn Stumpf ersucht wie 1933 „der illegalen Bewegung durch Sammlung der staatstreuen Arbeiter entgegen zu arbeiten, mit ihm, dem Leiter der Vaterländischen Front und des Gewerkschaftsbundes in ständiger Fühlung zu bleiben und auf diese – zwar stille – aber nicht wirkungslose Art für die Befriedigung und den Wiederaufbau unserer Heimat tätig zu sein.“ Dafür versprach ihm der Landeshauptmann die Wiedereinstellung in den Schuldienst. Doch kurze Zeit später verstarb er unerwartet. Kuprian unterstrich weiters:
„Ich habe mich niemals nur ‚loyal‘ verhalten, sondern schon als seinerzeitiger Parteifunktionär immer über die Parteimaxime das Gebot meiner Heimat gestellt, habe in den letzten Monaten durch persönliche Fühlungnahme mit Hunderten ehemaliger Parteivertrauensleute dieselben zu aufrichtiger Mitarbeit bewogen, habe selbstlos als Gemaßregelter mich rückhaltlos zur Heimat bekannt. Wie sehr meine Tätigkeit der illegalen Bewegungen zuwider ist, beweist wohl die Tatsache, daß von der nationalsozialistischen, kommunistischen und revolutionär-sozialistischen Bewegung meine Tätigkeit als die eines ‚Versöhnlers‘ in Flugschriften und Zeitungen bekämpft wird. (… ) Nie und zu keiner Zeit habe ich mich als Feind der Heimat gezeigt. Die letzten Jahre haben meiner Familie und mir unsägliche Opfer auferlegt, schwere materielle, noch schwerere seelische Not gebracht.“
Obwohl auch der Vorsitzende der gleichgeschalteten Arbeiterkammer Kuprian unterstützte, da er schon als Führer des RESCH „als echter Österreicher gehandelt“ hätte und in jüngster Zeit „mit günstigem Erfolg (…) die noch links stehenden Arbeiter“ für den „Ständestaat“ zu interessieren verstanden hatte, wurde sein Antrag auf Wiedereinstellung in den Schuldienst abgelehnt.
Auch Kuprians nächster Versuch im Jahr 1937 schlug fehl. Die „Kameradschaft der Öffentlichen Lehrpersonen. Landesarbeitsgemeinschaft der Pflichtschullehrer Tirols“ lehnte ihn wegen seines Engagements für die Sozialdemokratie vor 1934 kategorisch ab.
Wie rachsüchtig und unbarmherzig das katholisch-konservative Schulsystem und seine Exponenten im Austrofaschismus agierten, wird im Fall Kuprian deutlich. Er erhielt keine Chance, obwohl er Vertreter der mehr als gemäßigten Richtung der Tiroler Sozialdemokratie war, von der er sich immer stärker distanzierte. Allmählich vollzog Kuprian eine Wendung von einer sogenannten gemäßigten linken Politik über die Anpassung hin zum offenen Überlaufen zum politischen Gegner. Er entwickelte sich immer mehr zur tragischen Figur. Zermürbt von Haft, Demütigung, politischer Niederlage und Hoffnungslosigkeit, getrieben von einer völlig falschen Einschätzung des Herrschaftssystems des „christlichen Ständestaates“ und des politischen Willens der Eliten im Land suchte er selbst noch zwischen 1934 und 1938 die Zusammenarbeit. Materielle Sorgen und der Glaube an einen gemeinsamen Abwehrkampf gegen den Nationalsozialismus ließen ihn in den Augen jener Genossen und Genossinnen, die standhaft geblieben waren und verfolgt wurden, endgültig zum „Verräter“ werden. Kuprian wurde Landessekretär der „Sozialen Arbeitsgemeinschaft“ (SAG), die im März 1935 als zweite austrofaschistische Vertretung der ArbeiterInnenschaft neben der gleichgeschalteten Gewerkschaft gegründet worden war und die in den Händen der „Christlichen Arbeiterbewegung“ lag. Deshalb verwundert es nicht, dass Kuprian von den Nazis als „rechte Hand“ von Landesrat Hans Gamper, dem Begründer des „Tiroler Arbeitsbundes“ bezeichnet wurde. Die SAG wurde bewusst in Frontstellung gegen SozialdemokratInnen und Linksoppositionelle als Versuch geöffnet, diese ins System zu integrieren. Andererseits versuchten Linke die SAG auch als Instrument möglicher Veränderungen im austrofaschistischen System zugunsten der ArbeiterInnen zu nutzen. Aus der Sicht Kuprians war sein Engagement in der SAG eine konsequente Weiterführung seiner Linie einer Aussöhnung zwischen autoritärer Regierung und ArbeiterInnenschaft zur Verbesserung ihrer Lebenslage und zur Absicherung der Selbstständigkeit Österreichs im Kampf gegen den Nationalsozialismus.
Kuprians Rolle in der NS-Zeit
Noch in der Nacht vom 11. auf den 12. März 1938, um halbzwei Uhr früh, wurde Gustav Kuprian als ehemals führender Sozialdemokrat und Leiter des RESCH, der sich massiv gegen die NSDAP engagiert hatte, von der SA und der Gestapo verhaftet und ins Innsbrucker Landesgericht eingeliefert. Dabei wurde ihm sein gesamtes gespartes Bargeld in der Höhe von 2.300 Schilling entwendet. Am 9. April wurde er in die Gestapo-Leitstelle München überstellt, wo er in Einzelhaft gehalten wurde. Über diese Zeit liegen keine Äußerungen Kuprians vor, es lässt sich aber unschwer erahnen, welch brutaler Behandlung er ausgesetzt war. Sichtlich eingeschüchtert und körperlich wie seelisch schwer gezeichnet kehrte er nach seiner Entlassung am 25. Mai nach Innsbruck zurück. Der akute LehrerInnenmangel während der NS-Zeit eröffnete ihm aber die Möglichkeit, am 15. Oktober 1938 wieder in den Schuldienst aufgenommen zu werden, obwohl er bei den NS-Machthabern als „politisch total unverlässlich“ galt. Gaupersonalamtsleiter Kurt Braunsdorff vertrat jedoch den Standpunkt, dass man Kuprian den „Lebensfaden“ nicht völlig abschneiden sollte. Wegen des erwähnten akuten LehrerInnenmangels gab es immer noch viele „schwarze“ LehrerInnen, die der NSDAP gesinnungsmäßig fern standen. Deshalb sollte es nun auch für ehemals sozialdemokratische Lehrkräfte möglich sein, Aufnahme in den Schuldienst zu finden, um sie für das Regime zu gewinnen. Dazu Braunsdorff: „Es hat sich auch erwiesen, daß ehemalige Sozialdemokraten u[nter] U[mständen] leichter an die Weltanschauung des Nationalsozialismus herangebracht werden können, als die im politischen Katholizismus erzogenen Menschen. Das ist ja auch logisch, da z.B. auf sozialem Gebiete usw. viel mehr Berührungspunkte gegeben sind.“ Nach Meinung des Gaupersonalamtsleiters hatte sich Kuprian tatsächlich „aus Idealismus“ für die ArbeiterInnenbewegung eingesetzt:
„Ich halte es für besser, einen Menschen, der ernsthaft und aufrichtig gewillt ist, im Sinne des Nationalsozialismus im Dritten Reich mitzuarbeiten, wieder zu beschäftigen, als ihn tot liegen zu lassen und ihn damit automatisch zu einem selbstverständlichen Gegner zu machen. (…) Nach allem, was ich von Kuprian gehört habe, glaube ich aber annehmen zu können, daß er tatsächlich das Bestreben hat, sich die nationalsozialistische Weltanschauung – wenn auch vielleicht nicht gleich – zu eigen zu machen.“
Braunsdorff befürwortete daher die Wiedereinstellung Kuprians, jedoch nicht in Innsbruck, da dieser in der Gauhauptstadt wegen seiner sozialdemokratischen Vergangenheit noch viel zu bekannt und belastet wäre. Eine Versendung nach Deutschland kam auch nicht in Frage, da Kuprian unter genaue Beobachtung gestellt werden sollte. Gauleiter Franz Hofer teilte Braundsdorffs Ansicht und genehmigte Kuprians Anstellung in der Volksschule Hall, wo jedoch Ortsgruppenleitung und der Kreisamtsleiter für Erzieher heftigst gegen Kuprian opponierten. Gauamtsleiter Josef Prantl, ehemaliger sozialdemokratischer Parteikollege Kuprians, überließ die Entscheidung über „diesen heiklen Fall“ dem Gauleiter, gab aber zu bedenken, dass man Kuprian überall ablehnen würde. Als Kompromiss schlug er Kuprians Versetzung in einen größeren Ort vor. Hofer ließ Kuprian schließlich trotz wütender Proteste von nationalsozialistscher Seite in Hall weiter unterrichten.
Um die Bedenken gegen ihn zu zerstreuen und seinen Posten abzusichern stellte Kuprian am 10. März 1939 den Antrag auf Aufnahme in die NSDAP, der trotz Befürwortung durch die Ortsgruppenleitung und Kreisleitung vom Innsbrucker Parteikreisgericht unter Vorsitz von Graf Ferraris-Occhieppo abgelehnt wurde. Anlässlich der NS-Demonstrationen am 11. März 1938, die zur Machtübernahme der Nazis geführt hatten, hatte Kuprian nämlich gegenüber zwei AnhängerInnen der „Vaterländischen Front“, die sich über den Durchbruch der NS-DemonstrantInnen bei der Triumphpforte entrüstet zeigten, zugeschrieen: „Laßt sie nur diese Lausbuben, wir werden es diesen Faloten schon noch zeigen!“ Das Parteikreisgericht stellte in seiner Begründung für die Verweigerung der Parteiaufnahme fest:
„Damit hat [der] Antragsteller sein Denken zu deutlich zum Ausdruck gebracht. Wer an einem solchen Tag zu solchen Worten fähig war, der hat deutlich bekundet, daß er der Bewegung vollkommen ferne steht. Es ist nicht anzunehmen, daß ein Mensch, der im Jahre 1938 der Bewegung so ferne stand, gerade nach einem Jahr schon so innerlich anders denkend sein kann, daß er berechtigt zu sein glaubt, Antrag auf Aufnahme in die Partei stellen zu können. Das Kreisgericht kann an diese Wandlung in der kurzen Zeit nicht glauben (…). [Der] Antragsteller soll noch ein paar Jahre Gelegenheit haben zu bekunden, daß er es tatsächlich ernst meint. Es ist dabei nicht zu vergessen, daß es auch für die Anwärter ein großes Verlangen darstellt in gleicher Reihe mit einem Menschen marschieren zu müssen, der noch vor einem Jahr anlässlich der Machtergreifung die Nationalsozialisten mit Lausbuben und Faloten bezeichnete.“
Gauleiter Hofer unterstrich, dass Kuprians Indienststellung für diesen eine Gelegenheit zur Bewährung darstelle und keine Wiedergutmachung, nachdem Kuprian den Antrag auf Anrechnung seiner fünfjährigen Enthebung aus dem Schuldienst für seine Dienstzeiten gestellt hatte. Nach einer „ausreichenden Übergangszeit“ war der Gauleiter jedoch bereit, dieses Ansinnen nochmals einer Prüfung zu unterziehen. Um die beträchtlichen Gehaltseinbußen kompensiert zu bekommen, versuchte sich Kuprian in der Folge als scharfer Kämpfer gegen die früheren Machenschaften der „klerikalen Schulmachthaber“ zu präsentieren:
„Aus Freude an meinem so schönen Berufe und aus Überzeugung und in ehrlicher Einstellung zum nationalsozialistischen Staate habe ich mich voll und ganz meiner Aufgabe als Lehrer und Erzieher gewidmet – und habe auch den Weg zur Partei gefunden, in der ich seit 13. März 1939 auf mein Ersuchen Parteianwärter bin. Ehrlich und aufrichtig kann ich versprechen, dass ich alles tun werde und meine ganze Kraft einsetzen will, wohin immer mann (sic!) mich gerade in der heutigen Zeit stellen mag, um allen Anforderungen gerecht zu werden.“
Kuprian, der im September 1939 von der Volks- in die Hauptschule Hall wechselte und auch in der kaufmännischen und gewerblichen Fortbildungsschule unterrichtete, wurde im Bestreben seine Existenz besser abzusichern von seinen direkten Vorgesetzten unterstützt. Der Haller Volksschuldirektor bestätigte, dass Kuprian die nationalsozialistische Weltanschauung bereits „verstandesgemäß“ als die richtige erkannt hätte. Er nahm als sicher an, „daß Kam. Kuprian (…) auch jene innerliche Erwärmung zu teil werden wird, die ihn befähigt, (…) auch aus innerstem Herzen heraus gestaltend als nationalsozialistischer Lehrer zu wirken und zu kämpfen.“ Auch der Bezirksschulrat unterstrich, dass sich Kuprian mit „bestem Willen“ bemühte, nach den Grundsätzen des Nationalsozialismus zu unterrichten. Besonders lobend hob er Kuprians wirkungsvolle Rede an die Schüler der Hauptschule anlässlich der Feier zum 9. November 1939 hervor.
Doch trotz Kuprians Anpassungsleistungen blieben die Gaupersonalamtsleiter Braunsdorff und Hans Hanak zurückhaltend und forderten mehrere Jahre eine längere Probezeit zur Sicherstellung Kuprians politischer Zuverlässigkeit. In ihren Beurteilungen bezeichneten sie ihn als einen Menschen, der sehr zurückgezogen lebte und in der Öffentlichkeit kaum mehr in Erscheinung trat. Eine Aufnahme in die Partei wurde auch im Juli 1942 abgelehnt. 1944 erhielt er eine positive Beschreibung des Gauamtsleiters für Erziehung, Alois Dollinger, der betonte, dass Kuprian in politischer Hinsicht nicht nachteilig aufgefallen war und sich bemüht zeigte, den Erfordernissen der Zeit zu entsprechen. Fachlich wurde er als sehr gut eingestuft. Gaupersonalamtsleiter Hanak stimmte daher der Ernennung Kuprians, der 1943 die Lehrbefähigungsprüfung für Hauptschulen abgeschlossen hatte, zum beamteten Hauptschullehrer mit April 1944 zu, obwohl „noch kein endgültiges Urteil über seine politische Zuverlässigkeit abgegeben werden kann“.
Kuprian engagierte sich allerdings insgeheim gegen den Nationalsozialismus. Er war Mitglied des Widerstandes in St. Anton und traf sich auch mit Widerständlern im Ötztal, wo gemeinsam verbotene Auslandssender gehört wurden. Seit 1942 war Kuprian im Zillertal aktiv, in den kritischen letzten Tagen half er mit, den militärischen Widerstand zwischen dem 1. und 5. Mai 1945 zu organisieren. Bereits am 22. August 1944 war er in das berüchtigte Innsbrucker „Arbeitserziehungslager Reichenau“ eingeliefert worden, von wo er nach dreieinhalb Wochen brutaler „Umerziehung“ am 18. September wegen seiner schweren Erkrankung entlassen und in ein Sanatorium überstellt worden war. Seine Inhaftierung dürfte auch in Zusammenhang mit der Verhaftungswelle gestanden haben, die nach dem Attentat auf Hitler im gesamten Reichsgebiet erfolgt war. Der spätere Leiter des Innsbrucker Polizeipräsidiums Peterlunger bestätigte nach dem Krieg Kuprians Verhaftung wegen antinationalsozialistischer Einstellung. Von der deutschen Wehrmacht war Kuprian nicht übernommen worden, da er als nicht wehrwürdig gegolten hatte.
Am 5. Mai wurde Kuprian von Karl Gruber, dem Führer des Tiroler Widerstandes und ersten Landeshauptmann Tirols nach der Befreiung, zum Kommissar für die 28 Gemeinden des Zillertales bestellt. Am 29. Juni 1945 erhielt er anlässlich des Gemeindetages im Zillertal in Anwesenheit Grubers ein Dankesschreiben überreicht, in dem ihm für seinen Einsatz gegen den Nationalsozialismus „als fanatischer Kämpfer für Freiheit“ und „als vorausschauender Führer“ die Wertschätzung ausgesprochen wurde.
Jahre der Anerkennung und früher Tod
Nach 1945 kehrte Gustav Kuprian nicht mehr in die Politik zurück. Dafür gelang ihm ein beruflicher Aufstieg. Kuprian, der wieder in die katholische Kirche eintrat, wurde mit 1. Oktober 1945 als Lehrer in die Innsbrucker Hauptschule Müllerstraße berufen, zudem wurde ihm die Leitung der „Gewerblichen Fortbildungsschule mit dreijährigem Aufbau“ für das Bekleidungs- und Nahrungsmittelgewerbe mit 15 Bekleidungs-, zwei Bäcker- und zwei Fleischerklassen in Innsbruck übertragen. Eine Untersuchung der Sonderkommission attestierte ihm am 22. März 1946: „nach bisherigem Verhalten Gewähr des rückhaltlosen Bekenntnisses zu Österreich.“ Kuprian wurden alle Haftzeiten, insgesamt 338 Tage, für den Ruhestand und die Vorrückungen im Schuldienst im Sinne der geltenden Rehabilitierungsbestimmungen als Dienstzeit doppelt angerechnet. Auch die fünf Jahre, in denen er während des Austrofaschismus aus der Schule entfernt worden war, wurden nachträglich im Sinne der Wiedergutmachung berücksichtigt.
1947 bewarb er sich für eine Stelle als Leiter einer Hauptschule in Innsbruck. Er bezeichnete sich entsprechend dem Urteil der Sonderkommission als politisch unbelastet und ordentliches Mitglied des „Bundes der politischen Opfer“, das durch seine wiederholten politischen Haftstrafen schwere gesundheitliche Schäden und finanzielle Einbußen erlitten habe. Sein weiterer Berufsweg verlief aber in der gewerblichen Fortbildungsschule. Über sieben Jahre lang stand er dieser Anstalt unter schwierigsten Verhältnissen vor. Zunächst musste er sich darum kümmern, den Betrieb notdürftig in der Knabenvolksschule Leopoldstraße aufrecht zu erhalten. Die Klassenzimmer waren kaum geheizt, die zerbombten Fenster mit Papier verklebt. Bis zu 50 SchülerInnen saßen in ihren Mänteln frierend in einer Klasse. Im Schuljahr 1949/50 übersiedelte Kuprian mit seiner Schule in das Gebäude der Mädchenvolksschule Fischerstraße, wo die Anstalt in der neuen Form einer selbstständigen Landesberufsschule für das Bekleidungsgewerbe untergebracht war. Am 1. September 1949 war seine Ernennung zum Direktor der Schule bestätigt worden, gleichzeitig konnte er seinen Dienst als Hauptschullehrer aufgeben.
Allerdings konnte sich Kuprian nicht lange seines beruflichen Aufstieges und der ungewohnten Anerkennung erfreuen. Die Jahre in der Politik und die wiederholten Haftstrafen hatten ihre Spuren hinterlassen. Die negativen Anzeichen seiner schweren Herzerkrankung hatten sich bereits Ende Februar, Anfang März 1948 manifestiert, als er insgesamt rund drei Wochen im Krankenstand war. Am 12. August 1952 erlitt er während eines Aufenthaltes in Kennelbach, Vorarlberg, seinen ersten Herzinfarkt, von dem er sich nicht mehr erholte. Als er mit seiner Frau nach Innsbruck zurückkehren wollte, brach er am Bahnhof zusammen. Nach einem einwöchigen Aufenthalt im Bregenzer Spital wurde er am 8. September ins Krankenhaus Maria Rast in Gauenstein bei Schruns eingeliefert, wo der behandelnde Arzt erklärte, dass er „das typische Herz eines Menschen, der sehr viel Aufregungen hinter sich hat“, habe. Auf Drängen seiner Frau wurde er nach einem Monat Aufenthalt in Schruns nach Hause transportiert. Allerdings musste er immer im Bett bleiben, so Maria Kuprian: „Am 21. Oktober wurde er nach einem furchtbaren Schüttelfrost mit 40.3 Grad Temperatur in die Universitätsklinik nach Innsbruck gebracht. Ich kann nicht mehr schildern, wie es war. Ich kann nur sagen schrecklich, schrecklich! Unser armes, armes Papile! Am 28. Jänner 1953 ist er dann nicht mehr aufgewacht.“
Gustav Kuprian hinterließ keinen nennenswerten Besitz. In einem Nachruf im Amtsblatt der Landeshauptstadt Innsbruck nannten ihn der sozialdemokratische Landtagsabgeordnete Direktor Josef Wilberger und der sozialdemokratische Schuldirektor Hans Klingler „eine Erzieher- und Lehrerpersönlichkeit von Format“. Bekannte und Freunde hätten ihn gern gemocht, „weil er, weise und abgeklärt, für alle Verständnis hatte und immer hilfreich beistand, so er es konnte.“ Als Lehrer und Erzieher war Kuprian besonders beim Dichter und Stadtschulinspektor Josef Leitgeb geschätzt. Seine spezielle Sorge während seines Schuldienstes habe sozial bedürftigen Kindern gegolten. „Für sie sorgte er wahrlich wie ein Vater. (…) Kein Schüler durfte ohne Obdach sein oder irgendwie darben. Seine stille, aber erfolgreiche Arbeit in der ‚Helfenden Jugend‘ drang wenig in die Öffentlichkeit, das lag ihm nicht.“ Durch die Unterstützung der Arbeiterkammer habe Kuprian „als einer der geistigen Initiatoren“ zum Ausbau des Berufsschulwesens beigetragen und damit auch seine Verbundenheit zur ArbeiterInnenbewegung unter Beweis gestellt, wobei er auch auf diesem Gebiet „mit geistigen Waffen für seine Ideen“ eintrat. Noch vom Krankenbett aus stand er in Verbindung mit der Schule. Seine Tätigkeit in der Partei und im RESCH in der Zwischenkriegszeit, die ihm Haft und Berufsverbot eingebracht hatte, wurde nur angedeutet. Er habe „in frühen Dienstjahren“ wegen seines politischen Engagements „den Zorn der Machthaber zu verspüren [bekommen] – damals holte er sich den Keim seines späteren Leidens“.
Kuprians Tochter Brunhilde hatte 1942 geheiratet und ein Jahr später ihre Tochter Inge zur Welt gebracht. Da ihr Ehemann im Krieg fiel, wuchs Inge bei den Großeltern auf, d.h. in erster Linie bei Maria Kuprian, die als Hilfsschullehrerin arbeitete und am 23. Februar 1968 im 74. Lebensjahr im Krankenhaus Hall verstarb.